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BTW 17: Was ist digital zu erwarten?

 

Jetzt steht es fest: Am 24. September wird in Deutschland der 19. Bundestag gewählt. Wie schon bei den vergangenen Wahlen blickt „Der Medienlotse“ auf den Status Quo in der digitalen politischen Kommunikation sowie vermeintlichen digitalen Spuren in den Partei-Wahlprogrammen und öffentlichen Äußerungen der PolitikerInnen.

Bots: Echtes Moratorium oder doch nur Ruhe vor dem Sturm?
2016 sorgten wahrscheinlich Bots, also automatisierte Dialog-Programme auf Twitter dafür, dass Donald Trump gewählt wurde und Großbritannien sich entschied, die EU zu verlassen. Kann derlei auch 2017 bei der Wahl in Deutschland passieren? Nun, zunächst haben sich jetzt auch wirklich alle Parteien darüber verständigt, die Bots nicht zum Einsatz bringen zu wollen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich vereinzelt technisch versierte Mitglieder und Unterstützer dazu hinreißen lassen werden, ihrer Partei durch den Einsatz der Technik zum Wahlerfolg verhelfen zu wollen. Beobachter erwarten, dass dies noch am ehesten von den Rechtsextremen zu erwarten sei, die beispielsweise bei Facebook mehr Fans haben als CDU und SPD und auch sonst technisch/digital versierter auftreten.

Auch wenn es in Deutschland mit nur knapp 4 Mio. deutlich weniger aktive Twitternutzer als in den USA oder Großbritannien gibt (weitere 8 Mio lesen hierzulande Tweets auf anderen Webseiten oder via Smart TV), ist die Gefahr einer möglichen Wahlmanipulation durch Bots nicht gebannt: Twitter legt es geradezu darauf an, von etablierten Medien wahrgenommen und zitiert zu werden, um weiter zu wachsen. Welche Inhalte dabei in den Vordergrund gestellt werden, ist erst mal zweitrangig. Bots sorgen durch fortwährende Provokationen und Tabubrüche für ein hohes Grundrauschen auf der Plattform. Zum Start eines Stars Wars-Film legten Unbekannte ein Netzwerk von ca. 300.000 Bots an, die bislang nur zusammenhanglos irgendwelche Zitate twittern – aber natürlich auch anderweitig eingesetzt werden könnten.

Fake News: Alter Wein in neuen Schläuchen
Technisch weniger anspruchsvoll sind Fake News. Insbesondere auf Facebook sorgen täglich Meldungen zu kostenlos den Nahverkehr nutzenden Flüchtlingen oder Vergewaltigungen im Nachbarort für Aufsehen. Dabei sind Fake News keine Erfindung des Internets: Medien und Journalisten sind seit Jahren versiert darin, Geschichten einen bestimmten Spin zu geben. Das sind noch keine Lügen, aber zumindest auch nur ein Ausschnitt der Wahrheit. Die Forderung der Grünen, in allen Kantinen flächendeckend am „Veggie Day“ auf Fleischgerichte zu verzichten, hat es so nie gegeben. Erst die Bild-Zeitung machte daraus eine Story/Fake News – und war vermutlich mitverantwortlich für das schwache Abschneiden der Partei bei der Wahl 2013.

Wer in der Schule aufgepasst hat, sollte keine Probleme haben, Falschmeldungen als solche zu entlarven. Schwieriger wird es jedoch, wenn etablierte Medienmarken in den Chor mit einstimmen. Hier liegt es in der Verantwortung der Journalisten, auf der Jagd nach Klicks nicht den Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Meldung aus den Augen zu verlieren. Tatsächlich schreiben alle von alle ab – ungeprüft, um am Traffic zu partizipieren oder tatsächlich mal die Schnellsten zu sein. Interessanterweise hat Facebook nun dem politischen Druck stattgegeben und geht tatsächlich zusammen mit dem stiftungsfinanzierten Rechercheverbund Correctiv gegen Fake News vor.

Und die digitalen Wahlprogramme?
Die inhaltliche Auseinandersetzung zur Bundestagswahl 2017 beginnt gerade erst, aber es ist nur schwer vorstellbar, dass digitale Themen einen höheren Stellenwert besitzen sollten als noch vor vier Jahren. Eigentlich ein Skandal, denn seitdem haben die Enthüllungen von Edward Snowden, diverse Abhörskandale und die Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung die Gemüter bewegt. Einzig der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zeigte bislang so etwas wie eine digitale Agenda: Der Politiker forderte in einem Tweet, dass durch Niedrigzinsen eingesparte Geld auf Bundesebene für einen „Zukunftsfonds Digitalisierung“ einzusetzen. Von anderen Parteien ist bislang wenig bekannt – man befindet sich ja eigentlich auch noch in der Phase der Kandidatenkür.

Ein Blick nach Fernost zeigt aber, nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, um souverän auf die digitalen Herausforderungen zu reagieren: In China wandeln sich Automobilhersteller binnen weniger Jahre zu einem Medienkonzern und umgekehrt. Während beispielsweise Volkswagen und der Hamburger Senat noch über die Smart City diskutieren, wird in der Volksrepublik spätestens im kommenden Jahr das urbane Internet der Dinge gebaut werden. Selbstverständlich bargeldlos – denn die Transaktionen für die Begleichung der Mautgebühren auf der Stadtautobahn werden mittels der Blockchain-Technologie durchgeführt.

Statt Automatisierung, bedingungslosem Grundeinkommen und der Förderung von digitalen Geschäftsmodellen wird es auch bei dieser Wahl leider wieder um Schulden, Renten und Steuerreformen gehen. So gerät Deutschland durch die fehlende Medienkompetenz bei Bürgern, Journalisten und Politikern immer weiter ins digitale Hintertreffen – und wird für Spitzenkräfte aus Kultur, Forschung und Wirtschaft zunehmend unattraktiver.

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