Suche
Suche Menü

Deutschland, deine digitalen (Unter-)Welten

Internet und soziale Netzwerke sind nicht gerade eine leichte Fingerübung. Wer noch niemals online war und seine ersten Lebensjahre nur in den heimischen vier Wänden verbracht hat, wird mit dem Konzept „Privatsphäre“ und „Allgegenwärtigkeit“ so seine Probleme haben. Aber nach ein paar Übungsrunden sollten die digitalen Schritte in etwa so schwer sein wie der erste Kuss – sollte man meinen. Was jedoch in den vergangenen Tagen an Kommentaren und Missgunst durchs deutschsprachige Netz rauschte, war allerunterste Schublade. Mit weitreichenden Konsequenzen für die Urheber, wie der Medienlotse meint.

Die Toten von Lampedusa
Ohne hier auf die Hintergründe zum Dublin II-Abkommen oder die über 300 Flüchtlinge in Hamburg eingehen zu wollen, reicht mir alleine schon die Schlagzeile „300 Menschen ertrunken“, um betroffen zu werden. Nun kann nicht von jedem verlangt werden, im medialen Trommelfeuer für alle Erdbeben-, Flut- oder Unglücksopfer immerzu genügend Empathie aufzubringen. Wer sich dann aber bemüßigt fühlt, beispielsweise auf Facebook unter einem SZ-Artikel kundzutun, dass Flüchtlinge eh alles Extremisten seien, die in Deutschland die Scharia einführen und alle Frauen knechten wollen, muss schon ein ganz besonderer Menschenschlag sein.

Die Tochter von Boris Becker
Was wie ein toller Pressescoop aussieht (erste Bilder von Beckers Tochter aus der Besenkammer-Affäre), ist eigentlich nichts anderes als niederster Voyeurismus. Bis gestern Nachmittag hatten sich schon knapp 1.800 Facebook-User bemüßigt gefühlt, den Artikel aus der Bild-Zeitung zu kommentieren. Nicht sonderlich überraschend, chargierten dort die Beiträge von „Boah, ist die häßlich“ bis „Eingetretenes Kellerfenster“. Geschenkt, dass jeder seine Meinung haben darf. Ich möchte aber mal erleben, wenn es um die eigenen Kinder geht. Da sind wir Deutschen eigentlich gerne vorne dabei, wenn es darum geht, die Gefahren des Internets zu geißeln. Ich verstehe nur nicht, warum das für Boulevard-Sprösslinge nun nicht gelten soll?

Warum das alles so deprimierend ist
Vermutlich werden andere Generationen weniger Probleme mit dem Internet haben. Es gibt es einfach noch zu viele Menschen, die sich an Zeiten ohne allgegenwärtige Netzzugänge erinnern können. Was dort im Wirtshaus am Stammtisch herausposaunt wurde, blieb innerhalb der vier Wände und je nach Alkoholpegel auch in den Köpfen der Zuhörer. Leider nur ist Permanenz ein dem Internet innewohnendes Prinzip. Was ich irgendwo hinschreibe, bleibt erst mal bis in alle Ewigkeit auch online. Pech, wenn ich dann unter meinem Klarnamen poste und auch sonst wie viel Informationen über mich im Internet stehen habe. So lässt sich ziemlich gut herausfinden, was die Flüchtlings- und Teeniehasser sonst noch so in ihrer Freizeit treiben…

In diesem Sinne muss man also (leider) darauf hoffen, dass noch so lange hirnlose Kommentare zu sensiblen Themen produziert werden, bis es auch die Allerletzten verstanden haben, wie das Netz wirklich funktioniert. Für alle, die nicht in diese Falle tappen möchten (oder es wie der Medienlotse mit einem zwar substantiierten, aber dennoch mit einer Unterlassungsklage belegtem Tweet über einen Ex-Arbeitgeber schon passiert ist), gilt: Nachdenken und Gehirn einschalten!

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.