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Wer bestimmt Heimat – das Herz oder doch das Wifi?

Wenn wir so abends zusammensitzen und die neuesten Ungeheuerlichkeiten aus unseren Jobs ausgetauscht haben, kommen ich und meine Freunde schon öfters mal auf das Thema „Heimat“ zu sprechen. Kommander Kaufmann hat dazu vor ein paar Wochen einen tollen Text unter dem Titel „Heimweh“ geschrieben, jetzt gibt es dazu die passende Blogparade von Katja Wenk. Was ist Heimat – ein Gefühl, dumpfe Nostalgie oder doch mehr? Der Medienlotse ist da ziemlich unsicher…

Lange meine Heimat – Hannover. Hier: Die Herrenhäuser Gärten, in deren Nähe ich fast zehn Jahre wohnte.

Ich glaube, Heimat hat früher einmal eine völlig andere Bedeutung gehabt als heute, wo wir überall hinreisen können. Schon wenige Flugstunden entfernt liegen ein anderes Leben, neue Erfahrungen und Menschen sowie oftmals auch eine unbekannte Sprache. Aber gerade die Generation der Vertriebenen ist noch sehr heimatverbunden und pflegt ihre Rituale. Das sieht dann manchmal komisch aus, wenn sich die Schlesier in Tracht zu ihrem Tag treffen und von der CDU/CSU hofiert werden, aber mag auch daran liegen, dass die alte Heimat mit den Wirren des Krieges jahrzehntelang unzugänglich hinter dem Eisernen Vorhang lag und heute vielleicht verfallen, abgerissen oder schon längst gentrifiziert – also ein für alle Mal verschwunden ist.

Ganz ähnlich wie ein Mensch zu verschiedenen Tageszeiten in verschiedenen Rollen agiert (als Partner, Kind, Angestellter, ÖPNV-Nutzer usw.), glaube ich an das Konzept der multiplen Heimaten. So ist Hamburg vor allem meine berufliche Heimat – hier habe ich als „Der Medienlotse“ meine Kunden und mein Netzwerk, welches mich inspiriert und mir als Freelancer den nötigen Halt gibt. Meine emotionale Heimat lag jahrelang in der Nähe von Hannover – hier bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mit Beginn des Studiums wurde dann die niedersächsische Landeshauptstadt meine neue Heimat – kein großer geographischer Sprung, doch gedanklich sehr weit von zu Hause und der Schule entfernt.

Gerade diese Heimatverlagerung war ein sehr bewusster Vorgang und hat gezeigt, dass Heimweh auch rational vermieden werden kann. Die menschliche Psyche giert einfach immer wieder nach neuen Eindrücken. Als es dann ins Berufsleben ging, wollte ich meine Heimat nicht aufgeben – zu unattraktiv erschien das Leben in Wolfsburg. Schließlich zog ich dann doch nach Nürnberg, aber ein Jahr war zu kurz, um so etwas wie Heimatgefühle zu entwickeln. Was blieb, ist Wertschätzung, aber auch eine sehr kritische Distanz zum fränkischen Menschenschlag. Von daher habe ich schon lange keine wirkliche Heimat genossen, heimatlos bin ich jedoch noch lange nicht.

Heimat ist für mich heute, wo sich das Herz wohlfühlt – und sich das Smartphone meinetwegen auch automatisch ins WiFi einloggt. Noch vielmehr ist Heimat aber verknüpft mit Menschen, die ich unterwegs getroffen habe. Erst sie füllen Räume – unsere Heimat – mit den Emotionen, die uns hinterher manchmal so wehmütig zurückdenken lassen. Aber Heimat muss kein rückwärtsgewandtes, festgeschriebenes Konzept wie bei den Schlesiern sein. Heimat ist im 21. Jahrhundert für die mobile, gut ausgebildete Klasse der Kreativen ein schnell wechselnder Zustand von Geist, Körper und Geldbeutel. Wer als Persönlichkeit mit beiden Beinen mitten im Leben steht wird es in Zukunft einfacher haben, sich überall auf der Welt schnell heimisch fühlen zu können.

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