Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass sich Städte vergleichbarer Größe in einem globalen Wettbewerb befinden. Viele versuchen, mit exklusiven Events wie Olympischen Spielen oder spektakulären Bauwerken international bekannt zu werden. Inzwischen gehört es ebenfalls zum guten Ton, innerhalb der eigenen Mauern eine lebhafte Digital- und Startupszene vorzuweisen. Während Berlin, Amsterdam und San Francisco dafür ordentlich PR in eigener Sache machen, hält sich Hamburg (noch?) vornehm zurück.
Dabei ist der Wille zur Veränderung durchaus vorhanden, wie Uwe Jens Neumann, Vorsitzender von Hamburg@work etwa anlässlich der Verleihung des Webfuture Awards 2013 sagte: „Wir haben in den vergangenen Jahren ein wenig den Kontakt zu Basis verloren; dass soll sich wieder ändern“. Zudem tagt unter Leitung der Senatskanzlei regelmäßig einThink Tank bei dem der Schreiber dieser Zeilen ebenfalls von Beginn an dabei ist. Vermutlich ist der Abstand zu den vorgenannten Städten aber bereits zu groß und es wäre eine Verschwendung von Zeit, Ressourcen, Kraft, Kreativität und Energie, um dieses Delta wieder zu schließen.
Warum also der ersten Welle angestrengt hinterherlaufen? Warum dann nicht lieber auf die zweite Welle warten, um ganz oben auf dem Kamm zu surfen? Nun, auch ich muss zugeben, dass ich es zunächst befremdlich fand, dass sich Hamburg – anstatt sexy zu sein – lieber reich und profitabel gibt. Aber nun soll es so sein und dann muss dieses Pfund auch entsprechend genutzt werden. Ob nun am Ende eine Digital Revenue Academy herauskommt, wie von Meinolf Ellers, Geschäftsführer von dpa-infocom gefordert oder doch die Internet-Insel ist noch nicht entschieden.
Eines kann nach einem Jahr Think Tank und Hamburg@work-Renovierung aber schon festgehalten werden: Es ist gut, dass relevante Entscheider zusammenkommen, nur fehlt eben noch die zündende Idee oder der letzte Drive, um eine nachhaltige Kursänderung herbeizuführen. Erschwerend kommt hinzu, dass es in Hamburg niemanden gibt, der die neuen digitalen Strömungen glaubhaft verkörpert. Der Datenschutzbeauftragte Caspar kommt eher zerknittert rüber, Otto kämpft selbst mit dem Umbau zum E-Commerce-Konzern und Google und AirBnB vertreten zunächst die eigenen Interessen.
Warum also in der kommenden Legislaturperiode nicht eine/n Digital-Senator/in berufen? Personen wie Nico Lumma (SPD) oder Katharina Wolff (CDU) sind nicht nur beruflich eng mit der Szene verbandelt, sondern schaffen es durch ihre Sichtbarkeit auf Events und innerhalb der sozialen Netzwerke auch immer wieder, wichtige Brücken zu schlagen. Alleine durch die Berufung würde Hamburg national und international wieder auf die digitale Landkarte kommen. Damit das Amt aber auch mehr als nur Eröffnungsreden von Computerräumen oder Spatenstichen für Breitbandkabel besteht, muss die Amtszeit mit einem konkreten Projekt verknüpft werden.
Zur Inspiration sollte Hamburg nicht in andere Hafenstädte schauen, sondern sich eher an europäischen Staaten wie Estland, Lettland, Litauen oder Slowenien orientieren, die eine ähnliche Bevölkerungszahl und administrative Struktur haben. So könnten das flächendeckende freie W-Lan oder die Einführung von Code an Grundschulen zu Leuchtturmprojekten des/der Digital-Senator/in werden. Die Ausgaben dafür können gut und gerne aus dem Marketing-Etat genommen werden; rechnen dürfte sich das allemal.
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