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Filter Bubble oder was?

Als Filterbubble bezeichnen Babyboomer die Tatsache, dass im modernen Netz des 21. Jahrhunderts die User ungefiltert ihren Interessen frönen können. Wer sich nur für Fußball interessiert, wird auch nur ebensolche Webseiten ansurfen, die sich mit seinem Lieblingsklub beschäftigen oder es wird mit Menschen auf Twitter und Facebook geben, die sich ebenfalls als Fan der gleichen Sache zu erkennen geben. Doch aus eigener leidvoller Erfahrung weiß der Medienlotse zu berichten, dass der Filterbubble der 1990er Jahre in den Suburbs dieser Welt viel, viel schlimmer war.

Es gibt sozialpsychologische Untersuchungen, die besagen, dass Ehepartner mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr als 100 km voneinander entfernt geboren wurden und mit hoher Wahrscheinlichkeit die gleichen Werte teilten. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten war die soziale Mobilität noch längst nicht so hoch wie heute. Wen es vom Dorf in die große Stadt zog galt entweder als Hasardeur, Taugenichts oder Glücksritter und wurde dankbar vom Hof gejagt. Wen sich Cousins und Cousinen verheirateten, wurden Traditionen vielfach unwidersprochen reproduziert – heute wird so etwas verächtlich Filterbubble genannt.

Auch wenn sich mittlerweile viele das wohlklingende Label eines Digital Natives anhaften können und den engen Milieus von Katholiken, Bergleuten oder Fußballclubs entflohen sind, wird folgendes Szenario in vielen Haushalten irgendwo im Deutschland der 90er Jahre zum Alltag gehört haben: Am Frühstückstisch plärrte entweder der lokale öffentlich-rechtliche Sender oder das damals schon nervige Privatradio mit den besten Hits der „70er, 80er und von heute“, bevor der klapprige Schulbus die jungen Zöglinge in eine Lehranstalt beförderte, auf deren Pausenhof wechselweise „TuttiFrutti“, die „Traumhochzeit“ oder Boris Beckers Wimbledonsieg das Gesprächsthema Nr. 1 war.

Ohne Internet oder starke Persönlichkeit war der neugierige Ofen dann auch schnell aus, denn wer konnte sich schon wirklich aussuchen, mit wem er die Schulbank teilt oder auf dem Nachhauseweg das Recht des Stärkeren auskämpfen musste? Dagegen ist das Internet eine echte Verheißung und hervorragende Fluchtmöglichkeit, die den alten Filterbubble zudem im Vorbeigehen ein für alle Mal pulverisiert hat. Wer behauptet, dass das Internet unsere Wahrnehmung und Einstellung ständig nur perpetuiert, hat das Wesen der digitalen Welt einfach nicht verstanden und verrät damit mehr über seine grundkonservative Haltung, als ihm lieb sein dürfte. Noch nie war es so einfach, mit nur einigen Mausklicks und ein wenig Medienkompetenz völlig neue Welten zu erkunden und sich völlig darin zu verlieren.

Vermutlich kommt die Netzwelt deshalb vielen Journalisten aus dem Dunstkreis von FAZ und Co. wie ein schwarzes Loch aus einer fremden Galaxie vor. Wer immer nur gelernt hat, den Priester von der Kanzel oder dem Chefredakteur nach dem Mund zu reden, kann sich einfach auch nicht unvoreingenommen auf neue Dinge und Eindrücke einlassen – deutsche Tradition eben ganz im Sinne von „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Umso verwunderlicher mag es dann den Besitzenden und Bestimmenden erscheinen, dass es europaweit junge Menschen gibt, die eine andere Welt wollen und vornehmlich mit dem Internet sozialisiert wurden. Der Filterbubble ist also nichts anderes als eine Chimäre, die uns Sand in die Augen streuen will. Stattdessen sollten wir das Internet und unser Unabhängigkeit feiern und niemals vergessen, dass sich alleine dafür lohnt, zu kämpfen!

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  1. Pingback: Raus aus der Filterbubble – mehr hin zum “Volk” | steve-r.de

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