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Medienlotse liest: Filter Bubble

In den Anfangstagen war das Internet noch wild und frei. Wirre Forscher schlossen sich in Usergroups zusammen und in frühen Chats wurden Belanglosigkeiten ausgetauscht. Diese unschuldige Zeit ist nun vorbei, glaubt Eli Pariser in Filter Bubble. Der Medienlotse erklärt, warum uns die Online-Entmündigung aber dennoch nicht bevorsteht.

Folgenreiche Personalisierung
Pariser, der sich vor allem nach dem 11. September als Polit-Aktivist einen Namen machte und für eine nichtmilitärische Option warb, warnt in „Filter Bubble“ insbesondere vor der personalisierten Suche. Der Suchmaschinenkonzern Google versucht seit Monaten, sein soziales Netzwerk G+ in richtige Bahnen zu lenken. Mittelfristig sollen die Beiträge, Likes und Verbindungen auch in den Suchergebnissen eine Rolle spielen. Regelrecht schockiert ist Pariser darüber, dass Google unterschiedlichen Personen bei gleichlautenden Suchbegriffen verschiedene Ergebnisse zeigt – wirklich eine Folge der Personalisierung?

Derartige Mechanismen können für eine ständige Rückkopplung sorgen – und ich sehe nur das, was ich sehen will oder schon weiß. Pariser hat Recht, wenn er beispielsweise bemängelt, dass dadurch unsere Weltsicht extrem eingeschränkt werden kann. Internetfirmen verdienen gut an personalisierte Werbung und setzen beim Targeting und Re-Targeting der Werbeformate auf Algorithmen. Ähnlich wie im Habitus-Konzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu fungieren die Code-Zeilen als Brille, durch die wir die Welt sehen.

Mehr Medienkompetenz
Pariser ist seit knapp zehn Jahren als kritischer Geist bekannt und von daher ist es kein Wunder, dass er mit Filter Bubble den Finger in die Wunden der amerikanischen Internetwirtschaft legen will. Leider schafft der Autor es nicht, die Beobachtungen aus seiner Peer group auf die breite Masse zu übertragen. Natürlich ist es für Pariser schlimm mitanzusehen, wie sich das vormals weite und freie Internet in ein immer eingezäunteres und kontrollierteres Feld verwandelt. Die User, die jetzt für das immense Wachstum von Facebook sorgen, haben derartige Techniken aber nie kennengelernt und nutzen begeistert Apple-Apps, ohne jemals etwas von einem „walled garden“ oder geschlossenen Ökosystemen gehört zu haben.

Und deshalb greift auch die Kritik, künftig würden uns Algorithmen vorschreiben, was wir sehen, essen, kaufen oder meinen sollen, viel zu kurz. Viele Menschen sind schon damit zufrieden, wenn die Welt um sie herum nicht allzu kompliziert ist? Und alle anderen, die mehr wissen wollen, brauchen schlicht und ergreifend ein Mehr an Medienkompetenz. Schließlich sind wir selbst dafür verantwortlich, was uns interessiert, wen wir treffen, welche Musik wir hören. Und auch vor den Algorithmen muss uns noch längst nicht bange sein: Amazon schlägt dem Medienlotsen schon seit Jahren zielgenau jene Bücher vor, die er bereits besitzt.

Fazit: Filter Bubble sorgt beim Lesen für einen kleinen Gruselfaktor. Ja, es ist schon wirklich ausgeklügelt und teilweise auch perfide, wie Firmen Daten für ihre Zwecke auslesen und verknüpfen. Andererseits leben wir in demokratischen Gesellschaften und können selbst darüber entscheiden, wie wir mit unseren Daten umgehen wollen. Ein Mehr an Medienkompetenz hilft da auf jeden Fall.

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