Die Herbstzeit ist immer auch eine Zeit des Wetterwechsels. Stürme ziehen durchs Land und rauben den Bäumen die letzten Blätter. Und die Menschen ziehen den Schal immer dichter um ihren Hals, um der Kälte zu entkommen. Ähnlich ungemütlich fühlen sich auch Unternehmen, die aus dem einen oder anderen Grund mit einem sogenannten „Shitstorm“ zu kämpfen haben. Der Medienlotse erklärt, welche neuen Aufgaben deshalb auf PR und Unternehmenskommunikation zukommen.
Wir sind Einzelfall!
Schon seit Wochen war bei Twitter nachzulesen, wie sich User @moeffju über seinen Kommunikationsanbieter o2 aufregte. Wochenlang kam es immer wieder zu Performanceproblemen im Netz und obwohl das Smartphone vollen Empfang suggerierte, stockte der Download. Matthias Bauer, der hinter Twitterr-User @moeffju steckt, wandte sich daraufhin an die Kundenbetreuung von o2. Dort versicherte man ihm, dass es sich nur um einen Einzelfall handeln könne.
Leider hatten die Kommunikationsstrategen nicht daran gedacht, dass Bauer kein stinknormaler Kunde ist, sondern binnen weniger Tage ein großes Netzwerk aktivieren kann. Und das ging so: Auf dem Barcamp Hamburg sammelte @moeffju weitere bundesweite Einzelfälle in einer viel beachteten Session. Dann stellte er die Seite „Wir sind Einzelfall. Data from anecdotes. Power from the people“ online, bei der die User per Formular anonymisiert von ihren o2-Datenpannen berichten konnten.
Und nachdem die Welle online erst einmal richtig ins Rollen geraten war, wurden auch die reichweitenstarken Internet-Magazine t3n und w&v auf die Problematik aufmerksam. In einer ersten Reaktion versprach o2 immerhin, den Netzausbau zu beschleunigen und auf die Problem-Hotspots in Großstädten wie Hamburg, Berlin und München zu konzentrieren.
Wir sind viele!
Bleibt zu hoffen, dass der Telekommunikationsanbieter auch Wort hält und die Geschichte nicht ausgeht, wie bei vielen anderen Firmen. Dort hatten entweder flapsige Bemerkungen von Mitarbeitern oder Drohungen mit der juristischen Keule erst recht zu einer Solidarisierung der Internetnutzer geführt, so dass sich auch starke Marken plötzlich an den Online-Pranger gestellt sahen. Schnell können so SEM-Investitionen versanden, wenn die ersten Treffer in der Suchmaschine plötzlich von aufgebrachten Kunden, und nicht mehr von den Produktvorzügen künden.
Mittlerweile haben auch viele Kommunikationsabteilungen in Unternehmen gelernt, auf derlei Auseinandersetzungen angemessen zu reagieren. Das zeigt nicht zuletzt die schnelle und maßvolle Reaktion von o2 gegenüber @moeffju. Dennoch müssen sich die PR-Verantwortlichen in Zukunft auf eine neue Qualität beim Social Media Monitoring einstellen: Schon bald wird es nicht mehr reichen, potenzielle Probleme zu erkennen und schnell zu bearbeiten.
Wer sich einem Power-User wie Bauer gegenübersieht, sollte also schnell zum Telefon greifen, bevor die Lage eskaliert und ein PR-Gau droht. Aufschluss über die Online-Reputation geben nicht zuletzt Dienste wie Klout. Vielleicht werden Unternehmen bei der Erhebung von Kundendaten also bald nach dem Twitternamen fragen. Ansonsten sollten Firmen schleunigst anfangen, ihre Fans zu kaufen. Die starten wenigstens keinen Shitstorm.