Noch vor zehn Jahren zeigten sich Medienschaffende von Unternehmen wie Lycos, Yahoo oder Bestbuy fasziniert, doch heute spielen sie kaum noch eine Rolle. Traditionelle Medienanbieter wie Zeitungen, Zeitschriften oder auch Radio und TV sind durch die steigende Internetnutzung unter Zugzwang geraten. Beim 1. Hamburger Medientalk diskutierten Medienunternehmer Frank Otto, Internetunternehmer Tarek Müller sowie der medienpolitische Sprecher des Hamburger Senats, Dr. Carsten Brosda und der stellvertretende Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Matthias Iken vor mehr als 100 Interessierten an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) in der Hamburger City über Medien im Jahr 2021.
Medien gestern
Internetnutzer der ersten Stunde werden sich sicherlich noch erinnern: Das damalige Netz hat mit dem heutigen nur sehr wenig zu tun. „Alles war irgendwie statisch. Man ging eigentlich nur online, wenn es einen konkreten Bedarf nach Information oder Produkten gab“, beschreibt Müller stellvertretend das Web 0.0. Zu diesem Zeitpunkt sinnierte Iken in der “Welt” noch über Pro und Contra von Paid Content (mittlerweile teilweise beim Abendblatt eingeführt geworden) und Otto gründete mit Hamburg 1 einen der ersten regionalen TV-Sender. Schon fünf Jahre vorher hatte der Otto-Sproß die Entstehung von VJs prognostiziert – bei vielem am Rande der Profitabilität operierenden Medienunternehmungen schon längst Realität. Heute kommt einem diese Welt schon seltsam entrückt vor, denn das Internet hat sich zunehmend zu einem eigenen und nahezu unabhängigen (Medien-)Raum entwickelt.
Medien heute
Vor allem der Standort Hamburg hat in den vergangenen Jahren gelitten, wenn man den Schlagzeilen Glauben schenkt. Universal weg, Springer zur Hälfte weg, wichtige Veranstaltungen längst in Berlin. Dennoch ist die Gegenwart alles andere als grau: „Wir haben mehr als 500 offene Stellen in der Games- und Programmierbranche“, machte Brosda den künftigen Medienschaffenden an der MHMK Mut. Auch Zeitungsmacher Iken zeigte sich optimistisch, dass Paid Content noch weiter wachsen werde und verwies auf die vierstellige Zahl an Online-Abonnenten beim Abendblatt. Dennoch hat sich der Standort nachhaltig gewandelt: Im Schnitt verfügt ein Unternehmen aus der Kreativ- oder Medienbranche über nur vier Mitarbeiter. Diese verlangen nach neuen Konzepten, vor allem von der Politik. „Wir können mit dem dualen Ausbildungssystem wenig anfangen. Das geht auch alles effizienter“, sagte Müller, der für seine Forderung, Schule und Hochschulen generell mehr am wirtschaftlichen Bedarf auszurichten, lauten Beifall erntete.
Medien morgen
Das gute Moderatorenduo (Campusleiter Markus Küll und Prof. Dr. Martin Jastorff) hatte sich für den Schluss noch etwas Besonders einfallen lassen. Ad hoc mussten die Gäste antworten, was sie innerhalb der nächsten zehn Jahre mit 50 Mio. € anfangen, die von einem Hedgefonds zur Verfügung gestellt werden. Nach der internen Wertung des Medienlotsen belegte Iken, der in neue Abo-Erlösmodelle und Community-Buildung investieren will, den letzten Platz. Radioliebhaber Otto würde mit dem Geld ein Gebot für MySpace abgeben und mit dem Rest einen Turnaround versuchen. Den ersten Platz teilen sich jedoch Müller und Senatsvetreter Brosda. Während ersterer auf spannenden Märkten wie Brasilien, Russland, Indien oder China wachsen und kluge Köpfe an den Standort binden möchte, sicherte ihm Brosda dabei Unterstützung zu. Der ehemalige Journalist will vor allem Aus- und Weiterbildung entrümpeln und junge Unternehmen auch über die Startphase hinaus fördern. Zudem wünscht sich der Senatsvertreter, dass Hamburg mehr aus seinen Veranstaltungen macht: „In Berlin ist jedes leise Husten ein Event“, so seine Einschätzung. Wie gut, dass der Medienlotse mit anderen Kreativen bereits an einem neuen Eventformat für die Hansestadt bastelt…
Disclaimer: Als freiberuflicher Dozent unterrichte ich auch an der MHMK in Hamburg in den Fächern Sport- und Eventmanagement.
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