Wer Deutschland mit dem Auto durchquert, wird beim Erreichen einer neuen Sendezone wohl immer wieder den Spruch “Das Beste der 80er, 90er und die Hits von heute” aus dem Äther quäken hören. Der privatfinanzierte Hörfunk ist austauschbar geworden und mit Aufkommen von Social Networks mittlerweile gehörig unter Druck. Der Medienlotse untersucht deshalb, ob Radiosender in ihrer herkömmlichen Form – anders als das Buch – überhaupt noch überlebensfähig sind.
Musikbranche als Innovationstreiber und erstes Opfer
Der Siegezug des Internets ist eng verknüpft mit der Kapitulation der Musikindustrie vor den neuen Angeboten und Kundenanforderungen. Mittlerweile lohnt es sich kaum noch Platten zu verkaufen. Richtig verdient wird nur noch auf ausgedehnten Tourneen; wohl auch deshalb müssen die Rolling Stones immer mal wieder zu einer Abschiedstournee antreten. Direkt von der Digitalisierung der Wirtschaft betroffen sind auch die Radiosender. Warum noch einen Sender einschalten und teilweise stundenlang auf einen Musiktitel oder eine interessante Sendung warten, wenn sie doch nur einen Mausklick entfernt liegt? Apple und sein neues, in iTunes integriertes Musik-Social-Network Ping werden ihr übriges Tun, um den Druck auf den Hörfunk zu verschärfen. Cluetrain legt den Finger in die Wunde: “Laut ARD-ZDF-Online 2010 hören immerhin 52 % aller deutschen Onliner zumindest gelegentlich Audioformate au dem Internet. Schon 44 % aller Web-Radios sind über mobile Endgeräte empfangbar“, schreiben die Internet-Propheten auf ihrer Webseite.
Die Zukunft des Radios liegt online
Der vor sich hindudelnde Funk hat in diesem Setting keine Daseinsberechtigung mehr, denn die HörerInnen werden laut Cluetrain dank “Livestreams, Podcasts, eigene Playlists bei Online-Dienstleistern und Smart Radio wie last.fm” immer mehr zu ihrem persönlichen Discjockey und Medienmanager. Doch von den in Vermarktungsfragen sonst so findigen Radiostationen ist diesbezüglich weder zu hören, noch zu lesen. Es ist schon verwunderlich, warum sich Printmacher und Buchexperten bei Twitter in die Diskussion um die Zukunft der Medien einbringen, Radiomacher jedoch schweigen und stattdessen augenscheinlich lieber den Verlust von Werbekunden beweinen.
Was bringt die Zukunft?
Cluetrain geht nicht davon aus, “dass der Shift der Spendings Richtung Online aufhören wird.” Wenn nun auch noch die Print-Konkurrenz anfängt, den Radiosendern wie in Niedersachsen ab 2011 mit Lokal-TV auf die (Werbe-) Pelle zu rücken, kann das Radio schnell verstummen. Gebührenfinanzierte Sender wie NDR und WDR scheinen nicht nur aufgrund ihrer journalisten Expertise und der Potenz zum Formatradio recht krisensicher, doch Privatsender werden im ersten Schritt entweder dichtmachen oder fusionieren müssen, um zu überleben. Dann gilt es, zukunftsfähige Online-Formate zu entwickeln, die den Hörfunk auch im 21. Jahrhundert bei jung und alt unverzichtbar machen. Zur Zeit ist das Radio augenscheinlich das einzige Medienformat, welches noch nicht vollständig in der Online-Welt angekommen ist. Während Google und Apple über den Einstieg ins TV nachdenken und Buchverlage angesichts sinkender Auflagen und Erlöse ihre Titel zum Kulturgut der oberen Zehntausend aufpreisen, scheint der Hörfunk auch aufgrund des föderalen Dschungels in Deutschland noch im Tiefschlaf zu verharren.
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