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Olympia: Ein Produkt muss verkauft werden

Die Olympischen Spiele sind ein weltumspannendes Phänomen und selbst weniger wintersportaffine Nationen wie Jamaika senden Athleten zur aktuellsten Veranstaltung der olympischen Bewegung nach Vancouver. Auch ARD und ZDF lassen es sich als Hauptrechteinhaber nicht nehmen, ihr gesamtes sportmediales Arsenal aufzubieten und mehr als 400 Stunden live aus Kanada zu senden. Kein Wunder, denn als Mitglieder der European Broadcast Union (EBU), die die Rechte der Spiele 2010 und 2012 (London) vom IOC für mehr als 600 Mio. Dollar gekauft hat, stehen die beiden deutschen Sender für 15 bis 20 Prozent gerade, die vor den obersten Gebühren- und Sendergremien gerechtfertigt werden wollen.

Da bleibt es nicht aus, dass das Produkt mitunter etwas aufgehübscht wird. So geschehen am gestrigen Sonntag-Abend, welcher in der ARD eigentlich für den Dauerbrenner und Topquoten-Bringer „Tatort“ reserviert ist. Erst prognostizierte Experte Markus Wasmaier, der in den Tagen zuvor Kritik an der Abfahrtsstrecke in Whistler burschikos beiseite gewischt hat, ein „superspannendes Finale“ in der Super-Kombination der Herren (Abfahrt + Slalom). Als der Gold-Favorit des Schliersees schließlich mit Ach und Krach auf Platz Drei landete und die beiden ersten Plätze recht überraschend von Bode Miller (USA) und Ivica Kostelic (Kroatien) belegt worden waren, war sich Wasmaier nicht zu schade, die Veranstaltung als „superspannendes Finale“ zu werten. Gemeinhin ist dieses schlichte Stilmittel einer breiteren Öffentlichkeit auch als selbsterfüllende Prophezeiung bekannt…

Mag man diese Verirrungen noch der Schrulligkeit eines Einzelnen zurechnen, wurde es in der Folge aber noch bunter. Nicht nur das ZDF hatte einen Wetterexperten mit in die Berge gebracht, auch Jörg Kachelmann brillierte im Norweger-Pulli am ARD-Flipchart und offenbarte sein mangelndes Wissen über die olympischen Austragungsorte. Die Klimabesonderheiten der küstennahen Regionen British Columbias lassen sich mittlerweile in jedem Reiseführer nachlesen und ob dafür extra ein weiterer Experte den weiten Weg aus Europa auf sich nehmen musste?

Noch unerträglicher wurde es jedoch bei der folgenden Biathlon-Übertragung: Zunächst wurden die Zuschauer mit marktschreierischen Hinweisen auf die „möglicherweise mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit folgenden deutschen Medaillen“ bei der Stange gehalten. Dass es ebenso wie im Aktiengeschäft auch im Sport reichlich unseriös ist „sichere“ Prognosen zu treffen, dürfte den öffentlich-rechtlichen Experten jedoch entgangen sein. Nur gut, dass mit Magdalena Neuner (Gold) und Simone Hauswald (Bronze) gleich zwei Athletinnen die Vorgaben des Senders erfüllten. Da passte ins Bild, dass Moderator René Kindermann das Fachwissen des anwesenden Experten Ricco Groß lobte, der „zweimal Edelmetall für Deutschland“ geweissagt hatte, und sich aufdrängte, mit dem Biathleten eine Lotto-Tippgemeinschaft zu bilden.

Als wenn Erfolg planbar wäre… Handwerklich gute Übertragungen sind es auf jeden Fall, meint der Medienlotse. Etwas weniger selbstsichere Deutschtümelei und der Verzicht auf den einen oder anderen Experten wären da schon ein Anfang. Und bitte nicht nur auf die medienkompatiblen Gesichter konzentrieren. Fast drängte sich in der ARD der Eindruck auf, als habe nur Neuner Gold gewonnen…

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