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Wer braucht eigentlich noch Pressemitteilungen?

 

 

tl; dr Pressemitteilungen sind irrelevant und langweilig. In der Echtzeit-Auseinandersetzung um Aufmerksamkeit und Klicks sind andere Kanäle längst schneller und relevanter geworden. 

 

Früher, in grauer Vorzeit, als ich mein erstes Praktikum bei einem kleinen Anzeigenblättchen machte und fortwährend das Faxgerät ratterte, waren Pressemitteilungen noch so etwas wie der Heilige Gral. Egal, welcher Taubenzüchterverein, Mieterschutzbund oder Vertriebenenverbund es auf die Liste der genehmen Absender beim jeweiligen Medium geschafft hatte, konnte sicher sein, mindestens mit einer kleinen Notiz in der kommenden Publikation bedacht zu werden. Aber wer bitteschön braucht heute noch Pressemitteilungen — eine Spurensuche.

Für Newsmedien sind Pressemitteilungen nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der täglichen Planungen: Welche Termine werden in Zukunft wichtig? Welcher Verband hat interssante Neuigkeiten oder Studien anzubieten? Worum geht es in der Bilanzpressekonferenz? Als Berichterstattungselement taugen Pressemitteilungen aber heute nur noch bedingt. Aktuelles Beispiel: Während dank Twitter und Interviews in diversen Blogs die Hamburger Startupszene vom Pitch-Erfolg des Tinnitracks-Gründerteams auf der viel beachteten Tech- und Muiskmesse SXSW in Austin, Texas erfuhr, trudelte die Mitteilung an die Presse von Hamburg@Work erst sage und schreibe zwei volle Tage später ein.

In einer Welt, die Relevanz in Echtzeit verlangt, sind verzögerte (oder langwierig abgestimmte) Pressemitteilungen keine Hilfe für Journalisten, die sich bereits in der digitalen Welt auskennen. Für alle anderen mögen Pressemitteilungen nach wie vor eine Hilfe sein — doch dann ist das Rennen um Aufmerksamkeit und Klicks schon längst entschieden. Und wer in die Newsarchive der Unternehmen blickt, findet dort auch nur belanglose Mitteilungen, die vielleicht ins Lokalblatt gehören — etwa wenn neue Azubis begrüßt werden, wieder mal der Girl’s Day durchgeführt wird oder Mitarbeiter für soziale Zwecke sammeln — Gähn.

Auch wenn Online-Simulationen uns etwas anderes vorgaukeln: Pressemitteilungen tragen — wie Pressekonferenzen und Agenturticker — noch kein journalistisches Angebot. Echte Stories und Headlines ergeben sich meist nur aus Hintergrundgesprächen und Recherchen. Wer Wort für Wort jeder Pressemitteilung für wahre Münze nimmt, hat sein Handwerk schließlich verfehlt. Und es ist überaus fraglich, ob NGOs und andere kleine Verbände mit Pressemitteilungen noch die gewünschte Relevanz erreichen.

Oftmals sind ein flapsiger Tweet, ein clever genutzter Hashtag oder starke Bilder schon wieder Grund genug für  die Medien, um darauf aufmerksam zu werden. Aktionen wie #Aufschrei haben aber deutlich gemacht, dass erst eine gewisse Zeit vergeht, ehe traditionelle Medien auf Netz-Themen aufmerksam werden und damit beispielsweise die Feuilletons gefüllt werden. Insofern sind Pressemitteilungen wahrlich eine zunehmende Rarität und Exzentrizität, die vielleicht noch zur journalistischen Ausbildung taugt — nicht aber für die digitale Kommunikation.

 

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