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Journalismuskrisen – Krisenjournalismus

Während sich Journalisten in den vergangenen Jahren vornehmlich mit sich selbst und ihrer Branche beschäftigen mussten (Stichwort: Neue Erlösformen und Storytelling im Rahmen der Digitalisierung), stand das Jahr 2015 im Zeichen der zunehmenden Kritik an der „Lügenpresse“. Vor diesem Hintergrund lud der „Verein für journalistische Aufklärung in der Krisen-  und Kriegsberichterstattung“ Mitte Dezember an der Hochschule Fresenius zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Medialität der Krisen 2015“, bei der der Medienlotse einen Rückblick auf die gescheiterte Olympiabewerbung in Hamburg beisteuerte.

Die Flüchtlingskrise sorgte für die Bilder des Jahres

Für Dr. Jan Claas van Treeck, Medientheoretiker von der Berliner Humboldt Universität, sind Medien weniger Formate oder Marken, sondern zunächst Technik. Ein Blick in die Technikgeschichte zeigt, dass vor allem Militärs die neuen technischen Möglichkeiten seit jeher nutzen. So waren auf TV-Bildschirmen die ersten Bombenabwürfe zu verfolgen, noch ehe sich das Fernsehen als Massenmedium durchsetzte. Am Beispiel von „Daesh“ und Edward Snowden skizzierte van Treeck, dass unterschiedliche Gruppen mitunter die gleichen Empfehlungen aussprechen, wenn es um sichere Kommunikation geht (siehe Grafik bzw https://theintercept.com/2015/11/12/edward-snowden-explains-how-to-reclaim-your-privacy/).

Daesh und Edward Snowden empfehlen dieselben Apps

Prof. Dr. Thomas Hestermann äußerte sich zur Macht der Bilder und berichtete, wie er zusammen mit Studierenden der Macromedia Hochschule in Hamburg in einem Seminar Bildunterschriften verändert habe und somit völlig neue Emotionen bei den Rezipienten auszulösen vermochte. Der Medienwissenschaftler plädierte dafür, dass sich Journalisten in Zeiten der Krise noch genauer hinterfragen müssten, welche Wirkung ihre Beiträge und Artikel erzielten. Damit sei weniger eine Selbstzensur gemeint, denn die gesellschaftliche Relevanz des Gesendeten, Gehörten oder Geschriebenen. Mitunter glaubten die Medien zwar, die gewünschten Inhalte zu liefern, lägen damit jedoch falsch. Von einer gefühlten Nicht-Repräsentanz ist es dann nicht mehr weit zu Rufen von der „Lügenpresse“.

Steffen Essbach, Redaktionsleiter des NDR-Medienmagazins „Zapp“ versuchte sich deshalb auch zunächst an einer Einordnung der Vorwürfe. Je nach Studie und Fragestellung sprechen 20-40% von der „Lügenpresse“. Am Beispiels eines Angriffs auf ein MDR-Team in einem Flüchtlingsheim durch Bewohner beschrieb der Journalist plakativ, welchen Herausforderungen Redaktionen täglich begegnen. „Eigentlich wollten wir das nicht bringen. Letztlich haben wir dann aber doch darüber berichtet, weil auf den Bildern zu erkennen war, wie andere Bewohner die Angreifer zurückhielten“. Essbach befürchtet, dass die Fragmentierung der Medien noch zunehmen werde und durchaus amerikanische Verhältnisse, bei denen sich zwei Lager (Fox und MSNBC) unversöhnlich gegenüberstehen, auch hierzulande möglich seien.

Ähnliches fand auf lokaler Ebene auch im Rahmen der Hamburger Olympiabewerbung statt, bei der sich das Pro und Contra-Lager beherzt bekämpften. „Bei aller Diskussion war es letztlich jedoch ein Sieg für die Demokratie, denn die Wahlbeteiligung lag hoch“, meinte Jan C. Rode (Der Medienlotse). Dennoch trat beim Referendum die Fragmentierung der Medienlandschaft deutlich hervor. „Die Pro-Kampagne bediente sich vor allem klassischer Kanäle wie Anzeigen. Eine Analyse der Briefwahlergebnisse zeigte jedoch, dass sich eine Mehrheit bereits Wochen vorher für das Nein entschieden hatte“, so der Digitalberater. Eine tiefes Social Media Monitoring hätte vor dem Wahlabend verdeutlichen können, dass die Zustimmung bröckelte und Möglichkeiten zum Gegensteuern gegeben. Darüber hinaus hat neben diversen Krisen (FIFA, DFB, Flüchtlinge) die ungeklärte Finanzierung ein besseres Ergebnis der Pro-Fraktion verhindert.

Zum Abschluss der vom Journalisten Enno Heidtmann moderierten Veranstaltung war es dem Medientheoretiker van Treeck vorbehalten, dass überaus passende Schlußwort zu sprechen: „Das Konstrukt der alten Massenmedien funktioniert nicht mehr, denn die Kommunikation war eindimensional. Durch das Internet haben die Konsumenten gelernt, sich zu äußern. Auch deshalb bekommen Tagesschau und Co. nun tonnenweise Briefe oder Reaktionen im Netz. Ich glaube, dass dieser Bedeutungswandel uns noch ein paar Jahrzehnte beschäftigen wird.“

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