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Aufstand der Fans?

Mir reicht’s – schon seit einigen Jahren fühlen sich Fußballfans oft zu Unrecht medial als Schwerverbrecher gebrandmarkt, doch was seit letzter und mit Beginn der aktuellen Saison mit aktiven Fangruppierungen getan wurde (und sich vermutlich noch fortsetzen wird, wenn nicht auch die Normalos in der Kurve endlich kapieren, worum es geht,) schlägt dem Fass dem Boden aus. In einem zermürbenden Kleinkrieg schaffen es immer mehr Bundesligisten, die kreativsten und stimmgewaltigsten ihrer Fans zu vertreiben. Doch erst wenn die letzte Kutte aus dem Stadion vertrieben und das letzte Banner abgehängt ist, werden die Verantwortlichen merken, dass man Stimmung nicht mit Klatschpappen und Marketing herbeizaubern kann.

Love the team, hate the club?
Als Fan von Hannover 96 war ich in den vergangenen zwölf Monaten einer ungeheuren Kampagne ausgesetzt – erst beschimpft der eigene Präsident uns als “Arschlöcher”, dann wird unter fadenscheinigen Argumenten ein seit Jahren gezeigtes Banner kriminalisiert und schließlich eine Kollektivstrafe wegen Pyrovorfällen verhängt (mehr zu den Hintergründen hier). Auch bei anderen Klubs – beispielsweise in Dortmund und München – gehen die Clubs teilweise im Schulterschluss mit der Polizei gezielt gegen einige Fans vor (Update: Polizeieinsatz auf Schalke/ Video und die löbliche Reaktion des Vereins, 21.8). Ziel ist wohl, ein aseptisch reines Stadionerlebnis zu schaffen. Doch schon bei der Aktion 12:12 hat sich gezeigt, was dann in den Stadien los ist – nichts.

Dabei hatte gerade Martin Kind – der nach eigener Aussage nichts vom Fußball versteht – die aufkommende Ultrabewegung in den 90ern noch tatkräftig unterstützt. So gab es für die „Fabulösen Thekenschlampen“ und andere Konsorten Freikarten für K39 – mitten auf der mächtigen Westtribüne im alten Niedersachsenstadion – um den tristen Regionalligaalltag etwas aufzuhellen. Schon damals war Pyro aktuell  – und ich erinnere mich nur noch zu gut an die feige Attacke eines Polizisten (von hinten und von oben auf den Bengalozünder herabspringend) – auf dem Video war selbstverständlich „wegen der Rauchentwicklung“ nichts mehr zu sehen. Vieles wurde danach durch die Aufstiege und die WM 2006 überdeckt. In der Rückschau muss man aber sagen, dass die Gegenseite damals wohl nur eine Atempause eingelegt hat und ihre Ziele nun kompromissloser den je verfolgt.

Fußball war schon immer politisch
Die Konflikte in Ägypten, Brasilien und der Türkei sind nur drei weitere aktuelle Beispiele die zeigen, wie sehr sich Fußballfans innerhalb gesellschaftlicher Auseinandersetzungen einbringen und durch ihre Organisationsstruktur in der Lage sind, Nadelstiche gegen die Machthaber zu setzen. Aber auch hierzulande war und ist Fußball schon immer politisch gewesen – auch wenn die Faschos immer gerne etwas anderes behaupten. Wenn erst durch Preiserhöhungen, dann durch Stadionverbote und nun durch teilweise direkte Polizeigewalt Menschen aus dem Stadion vertrieben und von ihren sozialen Umfeldern entwurzelt werden, ist das auf jeden Fall politisch zu werten. Der Fußballsport in der Bundesliga ist auch nicht zweckfrei – wie uns die Funktionäre gerne glauben machen, sondern ein Spiel mit Macht und Millionen.

Derzeit neigt sich die Waage allerdings eindeutig zugunsten der Vereine und Verbände, die teilweise außerhalb jeden legalen Rahmens eigene Regeln definieren und diese nach Gutsherrenart unter tatkräftiger Mithilfe der Exekutive implementieren .Alles, was den organisierten Fans noch bleibt, sind ihre Stehplätze (im Wettbewerb mit der übermächtigen englischen Premier League das einzige Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga). Und da Fußball und Sport nicht losgelöst in der Gesellschaft stattfinden, setzen sich auch hier vor allem repressive und dystopische Vorstellungen durch. Rauchen? Schon nicht mehr überall erlaubt. Alkohol? Höchstens bei der Saisoneröffnung. Kritische Banner? Schon lange nicht mehr. Freiräume für Fans? Nur solange konformes Verhalten gezeigt wird.

Was tun?
1902 hatte Lenin eine Antwort parat – ich weiß nur, wie man es nicht macht. Gemeint ist die Rote Kurve, der Fandachverband in Hannover, der sich nach einigen unschönen Auseinandersetzungen mit der Klubführung zum Jahresende auflöst. Abgesehen davon, dass die RK-Verantwortlichen es versäumt haben, für Nachwuchs in den eigenen Reihen zu sorgen und sich lieber für Festwagen beim Schützenfest abgefeiert haben, ist ein Abbruch der Kommunikation nie gut. Nun ergeht sich die Fanszene in Hannover in totalitären Dystopien – schließlich will Martin Kind mit seinen Konsorten den Verein 2018 zu 100 Prozent übernehmen – der modifizierten 50+1-Regel sei Dank.

Wenn dann allerdings nur knapp mehr als 100 Leute zur Jahreshauptversammlung im VIP-Bereich des Niedersachsenstadions versammeln, muss man sich doch sehr wundern. Das nach dem ersten Schock nicht gleich ein Gegenkandidat für den Vorstand präsentiert wird, ist klar. Aber warum wurde kein Abwahlantrag gestellt – wenigstens mal ein Zeichen setzen? Ich hoffe doch sehr, dass sich die Fans in Hannover und anderswo nichts ins Bockshorn jagen lassen und sich wieder der eigenen Stärke bewusst machen. Diese Stärke muss in die Vereinsgremien getragen werden – tretet ein, stellt eure Kandidaten auf, beansprucht Posten! Nur noch von innen heraus lassen sich die Klubs verändern. Ansonsten wird der Sieg des modernen Fußballs schneller vollzogen, als uns allen lieb sein kann!

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